Der Kultbau am Ostgipfel
Vom römischen Kultbau auf dem Schöckl hatte sich oberirdisch nur der südwestliche Eckstein erhalten. Erst durch die archäologische Ausgrabung kamen die Mauerreste zum Vorschein. Mit Außenmaßen von mindestens 11x10 m nahm das Gebäude die ganze Kuppe des Ostgipfels ein und war offensichtlich auf das direkt am Nordhang, etwa 20 m tiefer gelegene Große Wetterloch (Schöcklloch) ausgerichtet. Es wurde den Münzfunden nach zu schließen um 270 n. Chr. errichtet, sein Verfall setzte bereits zwei Generationen später ein. Im Kultbau selbst befand sich ein zentraler Sockel mit zwei Bauphasen. Er diente vermutlich dazu, ein wie auch immer geartetes Kultbild (Statue, Altarstein) zu tragen. Leider ist nicht mehr zu eruieren, welcher Gottheit der Bau geweiht war. Rund um den Sockel fanden sich zahlreiche Münzen, die spätesten wurden in den 20er-Jahren des 4. Jhs. n. Chr. geprägt. Der quadratische Raum an der Südostecke war mit einem Estrichboden ausgestaltet, aber weitgehend fundleer.
Aufgrund der rekonstruierbaren Innenraumgestaltung mit annähernd lebensgroßen Figuren müssen die Wände des Kultbaus gut vier Meter hoch gewesen sein. Die Giebelhöhe könnte sogar bis zu sechs Meter betragen haben. Durch die Lage auf dem markanten Ostgipfel war das mit roten Dachziegeln gedeckte und weißgetünchte Gebäude weithin sichtbar. Eine rot gefärbte Sockelzone war zumindest an der Süd- und Ostseite nachweisbar. Zwei Pfostenlöcher könnten auf ein angebautes hölzernes Vordach im Osten hindeuten.
Die Wände des Kultbaus waren einst mit qualitativ hochwertigen Malereien ausgestaltet, die der Mode des 3. Jhs. n. Chr. entsprachen. Sieht man von einzelnen bunten Ornamentzonen ab, war der Raum von weißen Wänden geprägt, die mittels roter und gelber Streifen in mehrere Felder gegliedert waren. In manche dieser Felder wurden annähernd lebensgroße Figuren gemalt.
Zwei Fragmente von kursiven Ritzinschriften im Wandputz des Kultgebäudes stellen die einzigen epigrafischen Zeugnisse vom Schöckl dar. Es handelt sich um eine Weiheinschrift an einen nicht näher identifizierbaren Gott mit bisher nicht bezeugtem Beinamen [.]ETICO V[…] und die Notiz einer Weihung oder eines Weiheversprechens eines Gegenstandes im (geringen) Wert von eineinhalb Denaren […]MEM Ӿ I S. Darunter ist der Name […]CANVS zu lesen.
Das Heiligtum einer weiblichen Gottheit um den Karstschacht
Unmittelbar gegenüber dem von der Landeswarnzentrale betriebenen Sendemast und kurz vor dem Anstieg zum 4 m höher gelegenen Ostgipfel (1423 m) erstreckt sich eine auffallend ebene Fläche, die nach Norden hin stark abfällt. Dort befand sich bis zum heurigen Jahr eine Grube von etwa 5 m Durchmesser, die sich im Grabungsverlauf als 4,60 m tiefe, anthropogen erweiterte Schachtbildung innerhalb eines natürlichen und für den Schöcklkalk typischen Kluftsystems erweisen sollte.
Die Ränder des Schachtes und die darum liegende Fläche wurden im späteren 3. Jh. n. Chr. massiv umgestaltet: Hochragende Felspartien wurden abgearbeitet, tiefe Spalten mit Bruchsteinen ausgestopft, und auch die annähernd runde Form der Schachtöffnung künstlich generiert. Im gleichen Arbeitsgang erfolgten massive Planierungen aus lokalem, nur schwach fundführenden Bruchschutt, um einen möglichst ebenen Platz vor der Schachtöffnung zu gestalten. Diese Maßnahmen können durch eine Münze des Aurelian auf bald nach 273 n. Chr. datiert werden. Auf diese Oberfläche, die auch Spuren verstürzter Trockenmauerstrukturen zeigt, wurden Weihegaben unterschiedlichster Art geworfen oder gelegt wurden. Neben 102 Münzen fanden sich Tausende von Glasperlen, Fragmente von schwarzen Glasarmringen, sowie Ohrringe, Fingerringe, Lunulaanhänger, Bleispiegelrahmen, eine Terrakottastatuette einer Stillenden und ein Webstuhlgewicht, Funde, die nahelegen, dass es sich vor allem um einen von Frauen und Mädchen aufgesuchten und einer oder mehreren weiblichen Gottheiten gewidmeten Heiligtumsbereich handeln muss. Gestützt wird diese Vermutung durch Bruchstücke von mindestens zwei Marmorstatuetten weiblicher Gottheiten.
Der Frauenweiheplatz auf dem Schöckl wurde vor allem in einem Zeitraum vom späten 3. und frühen 4. Jh. n. Chr. intensiv frequentiert, wobei die letzten Münzen von Constantius II. (geprägt 351/361 n. Chr.) stammen.